Erleben Sie die einzigartige Natur und spannende Geschichte rund um den Schaalsee. Entlang des früheren Todesstreifens bietet sich eine beeindruckende Vielfalt an Flora und Fauna sowie historische Einblicke.
Schaalsee? Etwa schal wie fade, trist, reizlos? Nicht im Mindesten! Sollte der Schaalsee durch seinen Namen bewertet werden, dann könnte er nur Schönsee heißen, wie er sich da mit seinen knapp 24 Quadratkilometern vielarmig ausgreifend ins westmecklenburgische Hügelland rekelt. Er ist 72 Meter tief, der tiefste Klarwassersee Norddeutschlands.
Radtour entlang der innerdeutschen Grenzen
Dass er Schaalsee heißt, liegt an seinem Abfluss, der Schaale. Das Bächlein endet über seine größere Schwester Sude etliche Kilometer weiter südwestwärts in der Elbe. Erstmals aufgetaucht war es in einer Urkunde von 1279 unter der Bezeichnung Scalen, was im Altslawischen Stein oder Fels bedeutete.

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Um Spuren der Vergangenheit geht es auch bei dieser Radtour, die einmal um den See führt und gut 50 Kilometer misst. Ein geschichtsträchtiges Stück Erde kommt dabei unter die Reifen. Seit 1990 verläuft die Landesgrenze zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein längs durch den Schaalsee, in den Jahrzehnten zuvor war es der Eiserne Vorhang. Mit Beginn des Kalten Krieges war das Ostufer im Sperrgebiet verschwunden, kontrolliert von Grenzsoldaten und Staatssicherheitsdienst. Das „Grenzhus“ in Schlagsdorf bietet eindrucksvolle Einblicke in diese Zeit (täglich von 10 bis 16.30 Uhr).
Mahnmale erinnern an Opfer der DDR-Zeit
Nach dem Mauerfall erklärten Naturschützer den einstigen Todesstreifen zum „Grünen Band“, wo sich Flora und Fauna entfalten konnten. Dennoch forderten Umweltschutzverbände in den vergangenen Jahren mehr Schutz, da die Vielfalt schwindet. Besuchern fällt das kaum auf, sie genießen die abwechslungsreiche Landschaft mit Wäldern, Hügeln und Flussauen. Ein stilles Land mit schmalen Straßen und verträumten Dörfern. Der Wandel seit der Wende ist ebenso präsent wie das Erbe der DDR-Zeit. Spurplatten führen am Seeufer entlang, wo früher Grenzsoldaten patrouillierten. In den Grenzdörfern stehen neben alten Backsteinhäusern auch Plattenbauten, ehemalige Kasernen und Offiziersunterkünfte. Mahnmale erinnern an die Opfer der DDR-Zeit.
In Zarrentin steht ein Holzteufel an der Uferpromenade, das restaurierte Kloster aus dem 13. Jahrhundert thront über ihm auf dem Hügel. Die Radtour beginnt dort am besten, da ausreichend Parkplätze vorhanden sind. Im Sattel geht es nun gegen den Uhrzeigersinn in Richtung Lassahn, zunächst zum Pahlhuus in Zarrentin, Sitz des Informationszentrums für das UNESCO-Biosphärenreservat (April bis September, Di-So, 10 bis 17 Uhr). Im Jahre 2000 hatte die Kulturorganisation der Vereinten Nationen die Region östlich des Schaalsees mit diesem Schutzstatus geadelt. Das Museum offeriert einen Überblick über Naturschönheiten und Ausflugsziele sowie Leihfahrräder. Ein Lehrpfad führt ins Zarrentiner Kalkflachmoor, eine Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit.

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Von Zarrentin geht es über Boissow, Neuhof und Neuenkirchen weiter. Neuenkirchen diente als Kulisse für die Kinderkomödie „Hände weg von Mississippi“ (2007). Auf dem Weg nach Lassahn lohnt sich ein Abstecher zur Insel Kampenwerder mit der Stintenburg. Das nächste Ziel heißt Lassahn, wo eine prachtvolle Lindenallee zu einem Abstecher auf die Insel Kampenwerder mit der Stintenburg verführt. Das Kopfsteinpflaster mag abschrecken, doch das Durchhalten wird belohnt. Der Flecken ist malerisch. Wer am Ortsausgang von Lassahn linker Hand von der Straße abfährt, lernt die Kolonnenwege der ehemaligen Staatsgrenze direkt am Seeufer kennen. Wer darauf verzichten will, nimmt die Landstraße nach Kneese. Spätestens dort sollten alle nach linksabschwenken.

Den Schaalsee umrunden
Im Wald am Niendorfer Binnensee erinnert ein Mahnmal an den Schrecken der Grenze, ein Stück Streckmetallzaun mit Fotos eines jungen Mannes. Am 4. September 1983 war der Elektromonteur Harry Weltzin aus Wismar ums Leben gekommen. Er wollte sich mit einem Spaten unter dem Zaun hindurchgraben – zwei Splitterminen explodierten und rissen den 28-Jährigen in den Tod. Laut Historikern sind 27 Menschen im rund 230 Kilometer langen nördlichen Grenzabschnitt, den damaligen DDR-Nordbezirken Rostock und Schwerin, getötet worden.
Im Dorf Dutzow hat die Seenrunde ihren nördlichsten Punkt erreicht. Ein Meilenstein an der Straße markiert den nunmehr völlig gefahrfreien „Grenzübertritt“ in den Westen und die Ankunft im Herzogtum Lauenburg. Am Westufer des Schaalsees erstreckt sich der Naturpark Lauenburgische Seen. Kurz vor Kittlitz befindet sich ein Aussichtspunkt am Hochufer. In Dargow lädt der ländliche Schaalseehof zu einer Rast ein. Übernachtungsgäste können in der Heuherberge unterkommen. Radler auf Tagestour sollten in Groß Zecher eine Pause einlegen, wo frischer Fisch serviert wird. Von dort ist es nur noch ein kurzer Endspurt zurück nach Zarrentin.
Text: Marlis Tautz