Weltweit verlieren Seen an Wasser, was laut Forschung eine Folge der Klimaveränderung ist. Doch einige Gewässer trotzen dem Trend. So fließt beispielsweise durch die Müritz momentan mehr Wasser als zuvor. Diesen Wachstum verdankt sie übrigens ihrem Heimatland Mecklenburg-Vorpommern. Diese doppelt schöne Nachricht motivierte uns dazu, aufs Fahrrad zu steigen und eine halbe Ehren-Runde ums „Kleine Meer“ zu drehen.
Eine volle Runde um die Müritz ist für die eine oder den anderen sicherlich auch drin. Sollte man sich vorher allerdings zweimal überlegen, ob die dazu nötig Ausdauer und Muskelkraft ausreicht. Denn die kürzeste Umrundung auf dem Müritz-Rundweg misst 82 Kilometer. Darum wählten wir die gemütlichere Alternative über rund 30 Kilometer im Sattel und rund 25 Kilometer auf dem Dampfer. Der Kurs führt von Waren an der Müritz aus per Rad bis Röbel/Müritz und mit dem „Dampfer“ bequem zurück. Wir sind also eine Teilstrecke des Müritz-Rundwegs geradelt, der übrigens bestens ausgeschildert ist, mit dem Umriss des „Kleinen Meeres“ als besonderes Kennzeichen.
Seinen Namen verdankt das „Kleine Meer“ den Slawen
Tja, Meckpomm hat nicht nur die große Ostsee, sondern auch das kleine Meer mitten in der Mecklenburgischen Seenplatte. Diese originelle Bezeichnung geht wahrscheinlich auf die alten Slawen zurück, die einst in der Region lebten. Müritz (im Slawischen: Kleines Meer) passt wunderbar zu dieser stolzen Naturschönheit, die in der letzten Eiszeit entstanden ist – im sogenannten Weichsel-Hochglazial (ca. vor 15000 bis 50000 Jahren). Irgendwo dazwischen liegt das genaue Alter der Müritz, die zur Zeit wie ein Jungbrunnen wirkt im Vergleich mit so vielen anderen Seen.
Seit wenigen Wochen ist der weltweite Seenschwund in aller Munde. Anhand von Satellitenaufnahmen konnte ein internationales Forschungsteam belegen, dass weit über die Hälfte aller Seen immer mehr von ihrem kostbaren Süßwasser verlieren. Im Wissenschaftsmagazin „Science“ nannten sie als Gründe die Erderwärmung und den hohen Verbrauch des Trinkwassers. Wie „ntv“ und andere Medien berichteten, speichern Natürliche Seen und Stauseen fast 90 Prozent des Süßwassers der Erde. Nordspanien sorgt sich nach einer lange Dürre bereits jetzt um die Trinkwasserversorgung im Sommer. Und auch die Großen in Europa, wie der Gardasee oder Bodensee leiden unter dem Wasserschwund.
Seen wie die Müritz haben eines gemeinsam
Wie die Forschenden berichteten, kommt der drastische Wasserrückgang nicht völlig überraschend, sondern er ist seit drei Jahrzehnten bereits im Gange. Unsere Müritz zählt zu den glücklichen Gewässern, die Liter für Liter an Volumen dazugewinnen. Weltweit betrifft das immerhin jeden vierten See. Wie die Forschung mitteilt, liegen diese „Nichtschrumpfenden“ meist in dünn besiedelten Gegenden wie etwa dem inneren tibetischen Plateau. In puncto dünn besiedelt ist Mecklenburg-Vorpommern natürlich ein Paradebeispiel – und das spiegelt offenbar positiv in die Natur zurück.
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Urlaubsort Waren an der Müritz ist immer eine Reise wert
Nach all der Theorie kommt jetzt unsere halbe Runde um die Müritz. Start ist in Waren: Die Stadt am Nordende von Deutschlands größtem Binnensee bietet Besuchern eine reizvolle Mischung aus städtebaulichem Charme, wunderschöner Natur am Müritz-Nationalpark, interessanter Kultur und Geschichte. Wer vor dem Start der Radtour noch ein bisschen bummeln möchte, dem sei die Warener Altstadt mit ihren liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern, die Kirchen St. Marien und St. Georgen und das Alte Rathaus empfohlen. Schön ist es auch am Stadthafen, wo man den ein- und ausfahrenden Schiffen zusehen kann.
Auf den Spuren des DDR-Urlauberzentrums
Dann aber wird in Richtung Klink (Müritz) in die Pedale getreten. Der Radweg ist gut ausgebaut, verläuft zu einem kleinen Teil parallel zur Bundesstraße 192. Nördlich von Klink, linkerhand hat man immer wieder schöne Ausblicke auf die Müritz, kommt man auf DDR-historischen Boden: Hier wurde 1962 die Urlaubersiedlung „Völkerfreundschaft“ eröffnet, das waren Bungalows mit insgesamt 300 Betten.
Bis 1974 entstand gleich daneben der achtgeschossige Neubau „FDGB-Erholungsheim Herbert Warnke“ (FDGB war die Abkürzung der DDR-Gewerkschaft Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Herbert Warnke Kommunist und FDGB-Funktionär). Der Komplex beherbergte mehr als 2000 Betten, umfasste eine überdachte Ladenpassage, eine Schwimmhalle, Bars, Cafés und Dachterrassen. Unter dem Namen „Müritz Hotel“ lief die Anlage auch nach der Wende erfolgreich weiter, wurde aber 2017 nach langwierigen Streitereien trotzdem abgerissen. Das Nachfolger-Hotel sollte bis 2020 fertig sein, Baustart für das 60 Millionen teure Projekt war erst im Mai 2022.
Was Schloss Klink mit dem „Sudel-Ede „
Das Dorf Klink, heute beliebtes Urlaubszentrum, liegt schön an der Müritz, seine Geschichte reicht zurück bis in das 14. Jahrhundert. Nach dem Abriss des alten Gutshauses wurde Ende des 19. Jahrhunderts durch die Familie von Schnitzler das Schloss Klink gebaut, das seitdem Wahrzeichen des Ortes ist (zur Familie gehörte auch „Sudel-Ede“ von der DDR-Propagandasendung „Der Schwarze Kanal“ Karl-Eduard von Schnitzler, der aber nie in Klink war). Das Schloss entstand bis 1898 nach dem Vorbild der Schlösser an der Loire im Stil der Neorenaissance.
Eine Reise zur Müritz lohnt sich zu jeder Jahreszeit.
Gute und günstige Unterkünfte an der Müritz finden Sie hier.
Nach 1945 diente das Schloss anfangs als Kommandantur der Roten Armee und wurde 1971 als Schulungs- und Erholungsobjekt eines Betriebes eröffnet. Nach der Wende wurde das Schloss verkauft und wird seit 1998 als Hotel genutzt. Ein Ausflugsziel im Dorf ist der große Bauernmarkt mit Markt, Restaurant und Konditorei, hier kann man eine Rast einlegen und es sich in der beliebten Konditorei schmecken lassen. 1997 wurde in Klink (Müritz), etwas versteckt im Wald, eine der größten Rehabilitationskliniken Mecklenburg-Vorpommerns eröffnet.
Weiter geht es direkt an der Müritz in Richtung des Dörfchens Sembzin, zwischendurch gibt es gratis wieder unvergessliche Ausblicke auf das „kleine Meer“, die Müritz. Sembzin war vor der Wende ein kleines Bauerndorf, heute ist auch hier der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig. Ausflugstipp: In einem alten, restaurierten Kuhstall und dem Garten drumherum entstand das „Atelier Café“. Hier gibt es Kunst, Kunsthandwerk und Gartenbaukunst. Und dazu, wenn man möchte, Kaffee und Kuchen.
Ziel der Tour ist die bunte Stadt am „Kleinen Meer“
Gestärkt geht es gut drei Kilometer weiter nach Sietow, natürlich liegt auch dieses Dorf an der Müritz. Und auch hier ist mit Hafen, Hotels und Ferienwohnungen der Tourismus eingezogen. Der Name Sietow, der Ort wurde im 13. Jahrhundert zu ersten Mal erwähnt, stammt ab von dem altslawischen Wort „zytko“. Das bedeutet „Kornauge“ und weist auf die landwirtschaftliche Vergangenheit hin. Sietow hat eine schöne alte denkmalgeschützte Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Die nächste Station des Ausfluges ist nach dem Umfahren der Sietower Bucht der Müritz das Dörfchen Gotthun, heute auch ein Urlaubsort. Ein Großsteingrab in der Nähe bezeugt, dass hier bereits vor 5000 Jahren gesiedelt wurde.
Schließlich kommt das Ziel näher – Röbel/Müritz, auch die bunte Stadt am kleinen Meer genannt. Das hat einen guten Grund: Die Röbeler haben viel Mut zur Farbe, ihre Häuser sind bunter als die in Waren, Malchow oder Penzlin. Röbel, anerkannter Erholungsort mit seinen zwei imposanten frühgotischen Kirchtürmen, liegt auch wunderbar an der Müritz – genauer gesagt am Binnensee und der Großen Wünnow, so heißen die beiden Müritzbuchten, die zur Stadt führen.
Die kleine Stadt besitzt eine wunderschöne und lang gestreckte Uferpromenade mit Anlegestellen der Fahrgastschiffer, Restaurants und Cafés. Die alten, teils schilfgedeckten Bootshäuser verleihen dem Ort zusammen mit dem Wasserwanderrastplatz, dem Segler- und Stadthafen ein maritimes Flair. Wer jetzt noch „Körner“ in den Beinen hat, sollte der in der Nähe des Hafens stehenden Marienkirche einen Besuch abstatten und auf den Turm steigen. Von dort hat man den überwältigenden abschließenden Blick auf den größten deutschen Binnensee und das Städtchen Röbel.
Vom Hafen aus geht es per Schiff zurück nach Waren. In aller Gemütlichkeit kann man sich noch einmal die Strecke ansehen, die man vorher „abgestrampelt“ ist. Über Fahrverbindungen kann man sich informieren bei der Weißen oder Blau-Weißen Flotte.
Text: Hartmut Nieswandt