Einfach nur mal so abhängen – ein Traum, der sich seit einigen Jahren im Küstenwald von Trassenheide auf der Insel Usedom erfüllen lässt.
Küstenwald von Trassenheide auf der Insel Usedom
Acht neu angeschaffte Hängematten, die schonend mit gummierten Manchetten am Baum fixiert werden, ermöglichen beim Waldbaden im Küstenwald von Trassenheide eine ungeahnte, eindrucksvolle Perspektive. Einen einzigartigen Blick hinein in die Baumkronen, zu erleben ist der Tanz über den Bäumen. Das Hineinhören in die Stimmen des Waldes, das Aufnehmen der vielfältigen Geräusche, das beruhigende Lauschen auf Vogelstimmen – das ist neben der drei Stunden Wanderung das Besondere am Waldbaden im Küstenwald von Trassenheide.
Es folgt der Beitrag „Vom Fichtennadelsnack und anderen Waldgenüssen“ von Sandra Grüning aus dem Usedom Magazin 2023.
Waldbaden – Die Kunst der Achtsamkeit oder die Wiederentdeckung der Langsamkeit
„Uhren ab und Handys bitte ausmachen“, ist das erste, was Waldbadende von Yvonne Woltanski lernen, bevor es ab in den Küstenwald hinter der Trassenheider Düne geht. Die Sonne scheint durch die Stämme der schlanken Nadelbäume hindurch, wirft Lichtfontänen in Sprenkeln auf den moosigen Waldboden. Es rauscht leise in den hohen Kronen. Und während sich nur ein paar Hundert Meter weiter die Menschen strandsandpaniert in der brütenden Sonne aalen, ist es hier im Schatten der Bäume angenehm kühl und still. Ein perfekter Ort zum Waldbaden.
Waldbaden? Für viele klingt der Begriff sicher sehr esoterisch – nach viel Om, Chichi und dem Umarmen von Bäumen. „Ja, beim Waldbaden werden auch Bäume umarmt, aber es ist nicht das Hauptanliegen des Waldbadens“, lacht Yvonne Woltanski. Vielmehr geht es darum, mal einen Gang zurückzuschalten, die Zeit Zeit sein zu lassen und allen Stress, ja sich selbst einmal, komplett loszulassen und für die Dauer eines erfrischenden Waldbades zu vergessen.
Waldbaden ist also für jeden etwas, besonders für Stressgeplagte. „Wenn die Teilnehmer am Ende meiner Runde wieder zu sich gefunden haben, bin ich glücklich und zufrieden“, sagt Yvonne Woltanski. Denn das ist das Ziel der ausgebildeten Waldachtsamkeitstrainerin. Noch so ein Wort, bei dessen Vorstellung sich das Hirn in einen Knoten legt. Doch für einen naturverbundenen Menschen wie Yvonne Woltanski war die Ausbildung zu einer solchen genau das Richtige.
Tipps von der Waldachtsamkeitstrainerin
Schon ihr Opa hatte sie in seinem Garten immer an die Hand genommen und ihr viel über die Natur beigebracht. Später im Büroalltag lernte sie die Stunden in der Natur nicht nur besonders zu schätzen, sondern auch bewusst zu genießen. Der Schritt zur Waldachtsamkeitstrainerin war da nicht mehr weit. Sieben Monate dauerte die Ausbildung in Süddeutschland dann allerdings doch noch, bis sie das Zertifikat zur staatlich anerkannten Trainerin in den Händen hielt. „Im Süden ist das Verständnis für mehr Achtsamkeit und ein bewusstes Leben im Hier und Jetzt schon viel etablierter“, sagt sie.
Aufenthalte im Wald dienen seit jeher der Erholung. In Japan ist der Wald sogar heilig. Waldbaden ist dort schon seit den 1980er Jahren eine populäre und anerkannte Therapieform. Shinrin Yoku nennt sie sich und bedeutet so viel wie „eintauchen in den Wald“. Erst seit einiger Zeit ist das Konzept der therapeutischen Heilwirkung auch in Europa bekannt.
Langsamkeit als oberstes Gebot
Weltweite Studien aus Immunologie, Kardiologie, Neurobiologie und anderen Fakultäten belegen inzwischen die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes. Schon sein Anblick genügt, damit der Blutdruck sinkt, der Puls sich verlangsamt und die Muskeln sich entspannen. Zudem ist frische Waldluft tatsächlich gesund. Denn die Terpene, die von den Bäumen abgegebenen Substanzen und ätherischen Öle, mit denen sie untereinander kommunizieren, nimmt man beim Einatmen in sich auf.
Die Duftstoffe sorgen dafür, dass die Konzentration der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol abnimmt und sich die weißen Blutkörperchen, die Killerzellen unseres Körpers, erhöhen, was unser Immunsystem stärkt. Für die Atemwege sind Terpene zudem erfrischend und reinigend. Die meisten kennen den wundervoll befreienden Duft eines Erkältungsbades. In weniger intensiver Dosis nehmen wir diese Öle auch bei einem Streifzug durch den Wald in uns auf.
Ein Waldbad im Küstenwald von Trassenheide ist per se also nichts anderes als ein bewusster Spaziergang durch den Wald unter Aufsicht und Anleitung. Doch jeder badet anders, meint Yvonne Woltanski.
Bucht man die gebürtige Lassanerin als Waldbademeisterin kommt man nicht nur sehr viel entspannter aus dem Wald wieder heraus. Man ist auch um einiges Wissen reicher. Denn die Usedomer Trainerin mixt bei ihrem Bad medizinisches Wissen, Informatives über den Wald – besonders den Trassenheider Forst – und das Erlebnis Wald an sich.
Aktuelle Termine vom Waldbaden im Küstenwald von Trassenheide:
20. September 2024 von 10 bis 13 Uhr und
29. November 2024 von 10 bis 12 Uhr
Langsamkeit ist ihr oberstes Gebot. Und so ermahnt sie jeden Waldbadenden, das Tempo um mindestens die Hälfte zu reduzieren. Das ist gar nicht so einfach, wenn man daran gewöhnt ist, im Alltag möglichst schnell von A nach B zu kommen.
Doch hat man sich erst mit der Gemächlichkeit des Vorwärtskommens angefreundet und in einem kleinen Grundkurs im sogenannten Biohacking gelernt entspannt zu atmen, artet das Waldbaden in einen überraschenden Erlebnis- und Eindrucksparcours aus, der alle fünf Sinne anspricht.
Wundermittel aus dem Wald
Bei mehreren Stopps werden die Teilnehmenden eingeladen, den Wald mit neuer Faszination zu erleben. Eine der sieben bis acht Stationen findet bei Yvonne Woltanski beispielsweise mit geschlossenen Augen auf einem Sitzkissen statt. In der Hand einen kleinen Fichtenzweig, dürfen die Entspannungshungrigen diesen erfühlen, an ihm riechen und ihn sogar schmecken.
Weitere Informationen zum Waldbaden im Küstenwald von Trassenheide finden Sie
unter www.natur-wonne.de
„Die ätherischen Öle wirken auf das limbische System, den ältesten Teil unseres Gehirns und lösen dort eine Entspannungsreaktion aus“, erklärt die Achtsamkeitstrainerin, während die frischen Triebe ihren zitronig belebenden Geschmack an die Zunge abgeben. Es ist erstaunlich, wie intensiv man seine Umwelt plötzlich wahrnimmt, wenn das Sehvermögen plötzlich fehlt. Die Sinnentüren öffnen, nennt Yvonne Woltanski das. Beim Waldbaden konzentriert man sich auf das Hier und Jetzt, auf das, was man hört, riecht und sieht.
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Nebenbei erfahren die Spaziergänger nicht nur etwas über die psychologische Wirkung und die medizinische Heilwirkung des Waldes, sondern auch etwas über die Geschichte des Usedomer Küstenwaldes, über die Beschaffenheit der Bäume, über ihre Kommunikation untereinander und sogar über alte Wundermittel wie die Pechsalbe, die entzündungshemmend bei vielen Beschwerden wie Muskelschmerzen und Gelenkentzündungen hilft. Auch wie einfach ein Salat mit jungen Fichtentrieben aufgepeppt werden kann oder wie man ein Fichtennadelbad einfach selbst herstellen kann, sind Tipps der begleitenden Trainerin.
Und natürlich werden am Ende auch Bäume umarmt. „Viele gesunde Duftstoffe werden über die Rinde abgegeben und beim Umarmen ist man eben ganz dicht dran mit der Nase“, erklärt Yvonne Woltanski. Kaum zu glauben, dass zwei bis drei Stunden so schnell vergehen und man gerade einmal zwei bis drei Kilometer zurückgelegt hat. Was bleibt, ist ein wunderbares Gefühl der Entspannung und der Entrückung. Dazu kommt die Erkenntnis, eine Zeit lang auch ohne Uhr und ohne Handy auszukommen und eine Faszination für den Wald als Spielwiese für neue, spannende Entdeckungen.
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