Die Weisse Düne ist ein historischer Segler, der zu abenteuerlichen Fahrten entlang der faszinierenden Küstenlandschaft Usedoms einlädt. Wenn die Weisse Düne ihre Segel hisst, beginnt eine Reise voller Geschichten und Traditionen, die selbst widriges Wetter in ein unvergessliches Erlebnis verwandelt. Dafür sorgen Kapitänin Jane Bothe und ihre Crew.
Eine Tour auf der Weissen Düne ist mehr als nur ein Segeltörn – sie ist eine Reise in die Geschichte, eine Hommage an die Seefahrt und ein unvergessliches Erlebnis. Mit Kapitänin Jane Bothe an der Spitze wird die Tradition des Küstensegelns lebendig gehalten. Wer an Bord kommt, nimmt ein Stück Geschichte und unvergessliche Eindrücke mit. Leinen los und volle Fahrt voraus in ein besonderes Abenteuer! Eine Reportage von Sirko Salka, erschienen im Usedom Magazin 2025.

Wolgast im Spätsommer 2024: Die Temperaturen liegen an diesem Vormittag bei gefühlten zehn, vielleicht 15 Grad Celsius. Wuchtige Windböen brausen über den Peenestrom und treiben dichte, dunkle Wolken vor sich her, die keinen Sonnenschein dulden. So ‘n Schiet: Kaiserwetter ist das beileibe nicht – aber vielleicht ideal zum Segeln?
Immerhin, im Hafen angekommen, hört es auf zu regnen. Majestätisch liegt sie an der alten Kaimauer: die Weisse Düne. Direkt davor, auf der Schlossinsel der ehemaligen Residenzstadt, jenem Tor zur Ostsee, hat sich eine kleine Gruppe von Abenteuerlustigen versammelt. In wenigen Augenblicken wollen sie mit diesem historischen Schiff in See stechen.
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115 Jahre hat die aus den Niederlanden stammende Grande Dame der Küste bereits auf dem „Bord-Buckel“; mit ihren 45 Metern ist die Weisse Düne etwas länger als ein Handballfeld. Und ihre beiden Masten ragen Ehrfurcht gebietende 30 Meter in die Höhe, wie ein neunstöckiges Gebäude. Beim Gedanken daran, dass die Crew zur Wartung regelmäßig in den Seilen hochklettern muss, kommt unweigerlich Seefahrerromantik auf.
Vom Freibeuter Klaus Störtebeker bis zu Captain Jack Sparrow – die fantastischsten Piratenstorys beflügeln plötzlich die Gedanken und befeuern die Vorfreude. Allerdings: Wer jetzt einen „Fluch der Karibik“ im Usedomer Achterwasser erwartet, solch packende Action wie in dieser beliebten Disney-Filmreihe mit Johnny Depp, all den Meeresungeheuern und Kanonenfeuern, der ist auf dem „falschen Dampfer“.

Denn als klassischer Küsten- und Frachtensegler ist die Weisse Düne in all den Jahrzehnten nie über den großen Teich gefahren und hat keines der Weltmeere je erkunden dürfen. Das wäre konstruktionstechnisch auch gar nicht möglich: Denn als Plattbodenschiff, ein typischer „Schlickrutscher“, ist sie für küstennahe Gewässer ausgelegt.
Leinen los für die Weisse Düne
In Daunenjacken, mit Mützen, Schals und Kapuzen warten gut Dutzend Passagiere darauf, dass die Crew der Weissen Düne das Zeichen zum Boarding gibt. Kapitänin Jane Bothe begrüßt alle herzlich. Mit einem Glas Sekt in der Hand geht es zur Besichtigung, um das Schiff kennenzulernen, das die Fahrgäste in den kommenden dreieinhalb Stunden über den Peenestrom Richtung Achterwasser segeln wird. Die Tour führt entlang der Südküste, der weniger bekannten, aber atemberaubend schönen Rückseite Usedoms.
„Leinen los!“, ertönt es schließlich, und zunächst mit Motorkraft verlässt die Weisse Düne ihren Heimathafen. Ein letzter Blick fällt auf die Peenebrücke Wolgast und die historische Altstadt samt der imposanten Petri-Kirche, dem gotischen Wahrzeichen aus Backstein. Hier, im Wolgaster Stadthafen, hat der berühmte Romantiker Caspar David Friedrich einige seiner Zeichnungen angefertigt. Und gleich nebenan, im heutigen Rungehaus, wurde im Jahre 1777 sein Weggefährte Philipp Otto Runge geboren, ein Universalgenie aus Pommern.
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Unvergessliche Strandwanderung entlang der Ostseeküste
Während das Schiff die Peenewerft Wolgast passiert und sich durch die schmale Fahrrinne bewegt, machen es sich die ersten Passagiere in Decken eingehüllt auf den Bänken an Deck bequem. Andere nutzen ihre Smartphones, um Urlaubserinnerungen festzuhalten, oder suchen das Gespräch mit der Kapitänin und ihrer Crew.
Unter Deck lädt das Bordpersonal dazu ein, sich im gemütlich-rustikalen Gastraum bei einem Glas Tee oder Grog aufzuwärmen. Später wird dort auch ein Mittagessen gereicht, wobei sich die Gäste zwischen selbst gemachtem Kartoffelsalat mit Kasseler oder Fisch entscheiden können.

„Früher waren viele solcher Flusssegler an den Küsten der Niederlande und Deutschlands unterwegs“, erzählt Jane Bothe, während sie das große Steuerrad in den Händen hält. Vom Stapel gelassen im Jahre 1909, hat die Weisse Düne bis in die 1940er-Jahre unter niederländischer Flagge Frachten gesegelt, vor allem Schüttgüter wie Holzkohle, Kartoffeln oder alle möglichen Steine transportiert, erklärt sie den Passagieren.
In der Fahrrinne wird es brenzlig
Danach wurden die Segel zurückgebaut. Das Schiff bekam einen Motor und wurde bis Ende des 20. Jahrhunderts hauptsächlich auf Norderney eingesetzt. Der damalige Kapitän erhielt eine Steuermannskabine, die heute musealen Charakter hat. Jane Bothe hat hier wertvolle Instrumente der Schifffahrt aufbewahrt, die allesamt noch intakt sind – und nicht zuletzt als Lehrmaterial Verwendung finden.
Denn als eine der wenigen Binnenschifferinnen Deutschlands mit Kapitänspatent ist ihre Weisse Düne auch ein Berufsschulschiff – drei junge Matrosen absolvieren hier gegenwärtig ihre Lehre, in der sie die Seefahrt von der Pike auf kennenlernen. „Ich biete auch Maschinenkunde an“, sagt Jane Bothe, die ihren Auszubildenden stets mit wertschätzenden, aber bestimmten Ansagen gegenübertritt.
Plötzlich passiert etwas Unvorhergesehenes. Mitten in der Fahrrinne liegt eine Tonne, wie ein Schlagloch auf der Autobahn: Ausgerechnet an dieser engsten Stelle, die keine 30 Meter breit ist, und infolge von Versandungen immer schmaler, und damit für das Manövrieren herausfordernder wird, tauchen fünf Jachten zur Passage auf. Ein gefährlicher Gegenverkehr, zumindest in diesem Nadelöhr.

„Das ist Murphys Gesetz“, meint die Kapitänin, die draußen auf dem Deck das Schiff routiniert navigiert. Hier ist Präzision gefragt und erhöhte Wachsamkeit geboten. Denn wo ein Strom enger wird, erhöht sich automatisch die Flussgeschwindigkeit. Ans Segelsetzen ist jetzt jedenfalls nicht zu denken. „Wenn ich bei Seitenwind aufsteuern muss, fülle ich fast die gesamte Fahrrinne“, sagt Jane Bothe; deren Expertise zufolge dieser Teil der Bundeswasserstraße dringend ausgebaggert werden sollte.
Die Unberechenbarkeit der Jachten bzw. Unerfahrenheit mancher Freizeitkapitäne birgt ein Risiko. Diesmal läuft alles glatt, wie auf einer Perlenschnur haben sich die Entgegenkommenden aneinandergereiht und der Weissen Düne Platz gemacht.
Die Weisse Düne setzt ihre Segel
Nach dem Passieren der Fahrrinne ist es an der Zeit, den eigentlichen Segeltörn zu starten. Aufgrund der Wetterverhältnisse werden an diesem Tag zwar nur zwei Segel gesetzt, die Fock am Bug des Schiffes und danach der Besan am achtersten (hintersten) Mast, aber der allgemein aufbrausenden Begeisterung unter den Passagieren tut das keinerlei Abbruch.
Wer möchte, darf beim Segelsetzen, wie auch später beim Wenden, selbst mit Hand anlegen und die Mannschaft unterstützen – wenngleich dieser Job auf einem Plattbodenschiff wie diesem von einem einzigen Matrosen gewuppt werden kann.

Denn im Gegensatz zu Seefahrern kommen Binnenschiffer in der Regel ohne größere Crew aus. Das liegt neben der mit weniger Personal möglichen Manövrierbarkeit von Küsten- und Frachtenseglern wie der Weissen Düne hauptsächlich an ökonomischen Überlegungen. „Die Niederländer waren immer gute Kaufleute“, bemerkt Jane Bothe. Beim Flusssegeln ging es letztlich auch darum, „so wenig Mäuler wie möglich zu stopfen“. Lediglich beim Laden und Löschen wurden seinerzeit zusätzliche Hilfskräfte angeheuert.
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Nachdem die Südspitze der Halbinsel Wolgaster Ort umsegelt worden ist, durchfließt der Peenestrom die Krumminer Wiek, eine bei Bootssportlern beliebte Bucht. Hier ist Segeln nach Herzenslust angesagt, und mit Blick auf die Halbinsel Gnitz ist das Tagesziel erreicht. Seit dem Millennium ist die Weisse Düne wieder eine Seglerin, die Masten kamen zurück an Bord, der motorisierte Frachtentransporter wurde zum komfortablen Passagierschiff umgebaut.
2004 war die Weisse Düne dann zum ersten Mal in Wolgast und erhielt bald darauf ein Patent aus den Niederlanden. Zwei Jahre lang ist Jane Bothe an Bord als Steuerfrau mitgefahren, bevor sie 2007 Kapitänin wurde. Damit hat sich die gelernte Kunstpädagogin einen Kindheitstraum erfüllt. Gemeinsam mit ihrem Mann Detlef, der ihre Leidenschaft fürs Segeln teilt, konnten die Bothes 2011 das Schiff erwerben.
„Was wir hier aufgebaut haben, ist etwas Einmaliges“, sagt Jane Bothe im Rückblick. Insgesamt gibt es noch 250 dieser historischen Flusssegler. „Doch die Niederländer sagen, ich sei ihr Flaggschiff.“ Ein Land, mit dem sie sich sehr verbunden fühlt, immerhin hat sie in den Niederlanden einst das Segeln gelernt und einige Jahre mit ihrer Familie gelebt.
Nach einer Kehrtwende auf der Krumminer Wiek nimmt die Weisse Düne wieder Kurs auf Wolgast. Mit einem Mal klart der Himmel etwas auf und die Sonne kommt nun doch noch zum Vorschein. Den Stadthafen erreicht, gehen die Passagiere glücklich von Bord.
Eine Ehrennadel für die Kapitänin
Zwei Wochen später werden in der Hansestadt Rostock die Tourismuspreise des Landes Mecklenburg-Vorpommern verliehen. Eingeladen sind auch die Eigner der Weissen Düne: Jane Bothe wird mit der Ehrennadel des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet. In seiner Laudatio hebt Ralf Trimborn vom ADAC Hansa e.V. ihre Leidenschaft, ihren Fleiß und ihren Mut hervor:
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„Jane Bothe zeigt als herzliche Gastgeberin und Pionierin im nachhaltigen Tourismus Mecklenburg-Vorpommerns, wie man mit Engagement und Liebe zur Region Großes bewirken kann.“ Ihre Arbeit als eine der wenigen Binnenschifferinnen in Deutschland mit Kapitänspatent und als Betreiberin des liebevoll restaurierten Passagierschiffs stelle eine wichtige Bereicherung für den regionalen Tourismus dar. Ralf Trimborn wünscht ihr, ihrer Familie und ihrem Team stets „eine Handbreit Wasser unter dem Kiel“.