In Schwerin und Wiligrad haben einst Mecklenburgs Herzöge residiert. Heute dienen ihre Schlösser dem Volke, etwa als Sitz des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern und Domizil eines Kunstvereins. Radfreunde kommen in der Schweriner Innenstadt aufgrund des Kopfsteinpflasters zwar nicht unbedingt auf ihre Kosten, dafür laden die sieben Schweriner Seen zu herrlichen Touren ein.

Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist unbenommen ein ideales Revier zum Radfahren, seine Landeshauptstadt Schwerin ist es eher nicht. Das Kopfsteinpflaster der Altstadt schafft Mensch und Material, und falls das Ausweichen auf den Bürgersteig nicht schon am Gewissen des Radlers scheitert, dann doch an den vielerorts schmalen Gehwegen oder den Fußgängerzonen. Die kluge Pedalritterschaft stellt sich besser darauf ein, Schwerins historisches Zentrum überwiegend schiebend zu durchmessen.

Seit Mittelalter diente Schwerin als Sitz der Landesobrigkeit

Mit den zuletzt 2022 gezählten knapp 99 000 Einwohnern ist Schwerin nicht nur die kleinste Landeshauptstadt Deutschlands, sondern auch die einzige Nicht-Großstadt. Allerdings auch die einzige deutsche Landeshauptstadt, die vom Mittelalter bis heute durchgehend und ausschließlich als Sitz der Landesobrigkeit diente. Seit Jahrhunderten werden weite Teile Mecklenburgs von Schwerin aus regiert und verwaltet – die bisher längste Zeit durch den Adel, zwischendurch von der Nomenklatura der DDR, seit 1990 von einem demokratisch gewählten Parlament für Mecklenburg und Vorpommern.

Sitz von Parlament, Museum und Restaurant - das Schloss Schwerin, erbaut im Stil des Historismus. Foto: Marlis Tautz
Sitz von Parlament, Museum und Restaurant – das Schloss Schwerin, erbaut im Stil des Historismus. Foto: Marlis Tautz

Ausgangs- und Endpunkt der Radtour ist der Hauptbahnhof. Wer mit dem Zug anreist, verlässt das Gründerzeitgebäude in Richtung Grunthalplatz. Autofahrer können auf dem Stellplatz, Wismarsche Straße 180, parken. Vom Bahnhofsvorplatz geht es mit dem Rad die kleine Straße Zum Bahnhof hinab zum Pfaffenteich. Typisch für Schwerin: viel Wasser mitten in der Stadt. Offiziell ist von der Stadt der sieben Seen die Rede, bei genauem Hinsehen kommt sogar ein Dutzend zusammen.

Rauf auf den höchsten Kirchturm Ostdeutschlands

Badezeug gehört unbedingt ins Tagesgepäck. Eilige Radler können sich vom Pfaffenteich direkt zum Schloss durchwursteln. Die anderen genießen die Altstadt mit ihren vielen imposanten Bauwerken. Die Tourist-Information befindet sich am Markt unterhalb des Doms. Sein Turm mit 117,5 Metern gilt als höchster Kirchturm Ostdeutschlands und kann bestiegen werden. Besonders empfehlenswert: Ein Bummel durch Puschkin- und Münzstraße, wo originelle Geschäfte, Galerien und Handwerker zu finden sind.

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Warum Mecklenburg-Vorpommern perfekt für Ihren Urlaub ist

Zurück im Sattel muss nun das Schloss angesteuert werden. Der Platz davor – der Alte Garten – gestattet den Rundumblick auf Burg- und Schweriner See, die Staatskanzlei, Sitz des Ministerpräsidenten, das Mecklenburgische Staatstheater, das Staatliche Museum sowie Schloss und Schlossgarten. Das auf einer Insel gelegene Schloss fußt auf einer slawischen Burganlage aus dem Jahr 965. Seine heutige Form erhielt es Mitte des 19. Jahrhunderts bei einem Umbau nach Vorbild französischer Renaissanceschlösser.

Vorbei am größten Strandbad Schwerins

Heute beherbergt die Residenz der Herzöge und Großherzöge den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Restaurants und ein Museum. Lust auf mehr? Eine Museumsführung bietet sich ebenso an wie eine Bootspartie mit der Weißen Flotte.

Entlang des Sees verläuft der Weg durch den Schlossgarten, der durch die Bundesgartenschau 2009 zu einiger Berühmtheit gelangt ist. Die Fahrt führt nach Zippendorf, Schwerins größtes Strandbad, vorbei an Boots- und Ruderhäusern, Gaststätten, Tennisplätzen, Villen, Zoo und Kletterwald. Im Ortsteil Mueß erzählt das Volkskundemuseum unter freiem Himmel vom Dorfleben längst vergangener Tage. Am Ortsausgang von Mueß herrscht stets großer Auflauf, denn dort kommt das aus DDR-Zeiten bekannte und geliebte Softeis in die Tüte.

Blick auf den Strand von Godern Foto: Marlis Tautz
Blick auf den Strand von Godern Foto: Marlis Tautz

Am Abzweig nach Raben Steinfeld erinnert ein Mahnmal an die Todesmärsche zum Ende des 2. Weltkriegs. Knapp zwei Kilometer folgt die Tour dem Radweg an der Bundesstraße 321, bis zu einem Buswartehäuschen, an dem links eine Anliegerstraße nach Pinnow abbiegt. Vom Friedhof an der Dorfkirche ist der Pinnower See zu sehen. Er markiert die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee und ist mit seinem glasklaren Wasser perfekt zum Baden. Wagemutige suchen sich auf eigene Faust eine Lücke im Schilf. In Godern gibt‘s ein Strandbad mit Liegewiese, Bootsverleih, Imbiss und Toilettenhäuschen für ein kleines Entgelt.

Die berühmten Rhododendren im Schlosspark Wiligrad

Das nächste Ziel heißt Leezen jenseits der Autobahn 14 (Achtung Großstädter! So ruhig geht es nur auf Autobahnen in Mecklenburg-Vorpommern zu). Westlich zieht die Silhouette Schwerins vorüber. Kurz nach der Ampel in Rampe beginnt links der Paulsdamm, der den Schweriner See zweiteilt. Am Verbindungskanal steht das Gasthaus „Seewarte“. Dort biegt die Tour rechts ab nach Wickendorf, wo der Endspurt beginnt: Radweg und Straße passieren einige der sogenannten Speckgürtel-Siedlungen, Seedorf, Hundorf sowie Lübstorf. Hohe Laubbäume beschirmen die letzten anderthalb Kilometern bis nach Wiligrad.

Weißer Putz, roter Backstein, schwarzes Dach - für das Schloss Wiligrad haben die Architekten die Farben des deutschen Kaiserreichs verwendet. Foto: Marlis Tautz
Weißer Putz, roter Backstein, schwarzes Dach – für das Schloss Wiligrad haben die Architekten die Farben des deutschen Kaiserreichs verwendet. Foto: Marlis Tautz

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Das Schloss-Ensemble aus Haupthaus, Stall- und Wirtschaftsgebäuden und Gärtnerei gluckt wie ein kleines Dorf im Wald am Steilufer. Es war ausgangs des 19. Jahrhunderts für den nicht regierenden Herzog Johann Albrecht geschaffen worden. Der Schlosspark ist berühmt für seine Rhododendren. Mit weißem Putz, rotem Klinker und schwarzen Ziegeln zitiert das Schloss die Farben des Deutschen Kaiserreichs. Nach der Wende zog ein Kunstverein in die repräsentativen Räume und veranstaltet dort Jahr für Jahr mehrere Ausstellungen. Vom Bahnhof Lübstorf fahren mindestens einmal pro Stunde Züge zurück nach Schwerin.


Streckenlänge: 42 Kilometer auf dem Rad, retour mit dem Regionalzug ab Lübstorf in sieben Minuten zum Hauptbahnhof Schwerin.
Profil: Auf der Strecke geht es 138 Höhenmeter hinunter und 149 Höhenmeter wieder hinauf. Die Zahl der Anstiege, die womöglich Schweißperlen kosten, ist überschaubar: maximal drei stehen in Verdacht.
Beschaffenheit: gut ausgeschildert, überwiegend Radwege parallel zur Straße, kurze Abschnitte auf asphaltierten Landstraßen
Extra-Tipp: Wer nach 42 Kilometern noch Zeit und Kraft hat, kann diese Tour leicht um einige Kilometer verlängern. Auch in Bad Kleinen (plus fünf Kilometer), Dorf Mecklenburg (plus zehn Kilometer) und in der Hansestadt Wismar (plus sieben Kilometer) gibt es die Möglichkeit, Regionalzüge zu erreichen.

Schweriner Seen-Runde im Überblick

Text: Marlis Tautz