Eine der drei gewaltigen Backsteinkirchen hat keinen Turm, die zweite kein Schiff. Wie hat es die Stadt trotzdem geschafft, dass sie 2002 mit dem Titel „UNESCO-Weltkulturerbe“ geadelt wurde? Allein, um das herauszufinden, lohnt sich ein Ausflug in die Hansestadt. Und für alle Shoppingfans: Wismar ist die Geburtsstadt eines berühmten Kaufhauses.
Die drei alles überragende Backsteinkirchen – hoch, stolz, mächtig und vom Land oder Meer schon von weitem sichtbar – sind die Marienkirche, die Georgenkirche und die Nikolaikirche. Letztere ist „vollständig“ mit Turm und Schiff, der Georgenkirche fehlt der Turm und der Marienkirche das Schiff. Warum? Das ist einfach erklärt. Bei einem Luftangriff wurde die Marienkirche 1945 stark beschädigt, nur der Turm ist erhalten.
Prachtvolle Georgenkirche im Zweiten Weltkrieg stark zerstört
Die DDR-Regierung ließ die Ruinen des Kirchenschiffs 1960 sprengen. Auf dem Pflaster können Besucher heute den früheren Grundriss der Kirche abschreiten. Die prachtvolle Georgenkirche sollte immer einen Turm erhalten – indes fehlte dazu immer das Geld. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945, wurde St. Georgen durch Bomben schwer getroffen. Zu DDR-Zeiten verfiel die Kirche.
Die alte Hansestadt ist immer einen Besuch wert.
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Bis 2010 wurde die größte Kirche der Stadt wieder aufgebaut – neben der Dresdner Frauenkirche das größte sakrale Wiederaufbauprojekt im Osten Deutschlands. Im Mai 2014 wurde auf dem 35 Meter hohen Turm der Kirche eine Aussichtsplattform eröffnet, die mit einem Fahrstuhl erreichbar ist. Von dort aus können Gäste einen beeindruckenden Ausblick über die Stadt und die nähere Umgebung genießen.
Warum Wismar heute zum Weltkulturerbe gehört
An der Nikolaikirche ist „alles dran“: Hinter dem Rathaus beginnt die Krämerstraße mit ihren schönen alten Giebelhäusern. Von dort kommt man zur Nikolaikirche, die aus dem 14. Jahrhundert stammt. Die Kirche mit ihrem 37 Meter hohen (!) Mittelschiff liegt nahe der Grube. Ergo: die drei riesigen Wismaraner Kirchen sind kulturhistorisch überaus bedeutsam und außerordentlich beeindruckend, auch wenn sie insgesamt nur über zwei Schiffe und zwei Türme verfügen.
Und wer die Kirchen angesehen hat, wird zustimmen: Diese Gotteshäuser sind im Ensemble mit allem anderen, was Wismar ausmacht, ein mehr als guter Grund für den Titel „Weltkulturerbe“. Verliehen wurde der übrigens gemeinsam an Wismar und die Hanseschwester Stralsund.
Die Hansestadt Wismar liegt also an der Ostsee. Und zwar am südlichen Ende der durch die Insel Poel geschützten Wismarer Bucht. Wismar ist die sechstgrößte Stadt des Landes und hat rund 44000 Einwohner. Vor allem aufgrund ihrer kulturhistorischen Bedeutung mit wertvollem Stadtbild und dank der Lage am Meer ist die Stadt ein beliebtes Tourismusziel, in den vergangenen Jahren zunehmend auch für Kreuzfahrer. Wismars Hafen beherbergt heute eines der größten Holz-Cluster Europas. Die Werft gehört mit der neuen Schiffbauhalle zu den modernsten ihrer Art – allerdings läuft dort gegenwärtig wegen der Schiffsbaukrise nicht viel.
Die Geburtsstadt des Kaufhauses Karstadt
In Wismar sollte man unbedingt ein Kaufhaus besuchen: Das Karstadt-Kaufhaus ist das Stammhaus der alten Karstadt-Warenhäuser. Denn in Wismar eröffnete der Gründer Rudoph Karstadt 1881 sein erstes Kaufhaus. Das heute noch als Warenhaus betriebene Gebäude wurde 1907 gebaut. Es befindet sich in der Nähe des historischen Marktplatzes und ist natürlich zugänglich – inklusive einem kleinen Rudolph-Karstadt-Museum
Wismar war schon früh Mitglied der Hanse und blühte im Spätmittelalter auf, was noch heute im Stadtbild dank vieler gotischer Baudenkmale nicht zu übersehen ist. Nach dem Dreißigjährigen Krieg kam Wismar im Jahr 1648 unter die bis 1803 dauernde schwedische Herrschaft, woran heute das jährliche „Schwedenfest“ erinnert. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt durch mehrere Bombenangriffe getroffen. Darunter litt vor allem das Gotische Viertel mit den Kirchen St. Marien und St. Georgen sowie der Alten Schule.
Im Juli 1945 zog die Rote Armee in Wismar ein. Von 1949 bis 1990 entstanden viele Erinnerungsstätten zum erlittenen Unrecht und zum Gedenken an begangene Gräueltaten in der Zeit des Faschismus. Wismar, nach 1945 wichtiger Hafen, spezialisierte sich auf den Umschlag von Massengütern, vor allem Kali. Die Werft geht auf die Gründung eines Schiffsreparaturbetriebes der Roten Armee zurück. Seit der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde Wismars historischer Stadtkern im Rahmen der Städtebauförderung gründlich saniert.
Das fällt auch auf bei der Stadtbesichtigung: Die Grube sieht zwar aus wie ein kleiner Fluss, ist aber keiner. Vielmehr handelt es sich um einen im Mittelalter angelegten künstlichen Wasserlauf. Er diente lange Zeit der Wasserversorgung. Die Grube fließt auch unter dem sogenannten „Gewölbe“ hindurch. Unter dem leicht schiefen Fachwerkbau konnte das Wasser gestaut werden – etwa, um einen Brand zu löschen. Im Gewölbe selbst wurde die Qualität der im Hafen angelieferten Weine geprüft.
Tipps für einen Stadtbummel durch die Hansestadt
Wismars Marktplatz ist ebenfalls ein guter Ausgangspunkt für einen Stadtrundgang. Blickfang ist dort die zwölfeckige Wasserkunst. Auch sehenswert ist der „Alte Schwede“, das älteste Bürgerhaus der Stadt, das auf das Jahr 1380 zurückgeht. An der Nordseite des Marktes befindet sich das mächtige klassizistische Rathaus aus dem 19. Jahrhundert.
Vom Marktplatz sieht man bereits den Turm der Marienkirche. Am Beispiel von St.Marien erlebt der Besucher Techniken des gotischen Backsteinbaus und des mittelalterlichen Handwerks. Höhepunkte der Ausstellung ist eine 3-D Filmvorführung in der Ausstellung von St.Marien, die die Marienkirche virtuell entstehen lässt. Aus 67 Metern Höhe hat der Gast einen wunderbaren Blick über die Altstadt.
Im Gebäude mit dem eigentümlichen Namen „Schabbell“ – dem Stadtgeschichtliches Museum der Hansestadt – erfährt der Besucher Interessantes über die Geschichte und den Werdegang Wismars. Das heutige Museum beherbergte einst die Gemächer des erfolgreichen Kaufmanns, Brauers und Bürgermeisters Heinrich Schabbell.
Anfahrt: Von Rostock, Schwerin und Lübeck aus gut mit der Bahn zu erreichen. Für Autofahrer: Wismar liegt direkt an der A 20.
Text: Hartmut Nieswandt
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