Am 29.Oktober 2023 ist Karat live zu erleben im Kaiserbädersaal Forum Usedom in Heringsdorf. Mit Usedom verbindet Frontmann Claudius Dreilich (l.) gute Erinnerungen und gute Freunde.

„Karat war für mich immer das Nonplusultra“

Sie haben sich den Elementen verschrieben: Erde, Wasser, Feuer, Luft. Ihr musikalisches Credo: publikumswirksam, anspruchsvoll, markant. In jedem Fall einzigartig. Sie setzen auf Altbewährtes wie Neues, berühren seit fast fünf Jahrzehnten mit rockigen wie lyrischen Tönen und bleiben dabei immer authentisch. Karat.

In ihrer fünf Jahrzehnte andauernden Musikkarriere hat die Berliner Band Karat Rock-Hits am laufenden Band produziert. „Über sieben Brücken musst Du gehen“, „Der Schwanenkönig“, „Blauer Planet“, „Jede Stunde“ oder „Hab den Mond mit der Hand berührt“ zählen zu ihren bekanntesten Songs. Am 29. Oktober 2023 gastieren die Musiker um Sänger Claudius Dreilich, Sohn des legendären Bandgründers und Frontmanns Herbert Dreilich (1942-2004), im Kaiserbädersaal Forum Usedom Heringsdorf. Gerlinde Bauszus traf Claudius Dreilich zum Interview.

Mit welchen Vorstellungen ist die Band vor 47 Jahren angetreten?

Ideengeber der Band ist der Bassist Henning Protzmann. Er stellte die Truppe seinerzeit nicht nur zusammen, sondern hatte von Anfang an sehr klare Vorstellungen, die alle mitgetragen haben. Musikalisch sollte etwas Neues entstehen – nicht nur national, auch international. Die Ausrichtung ergab sich vor allem dank Ed Swillms, der nahezu alle großen Karat-Hits komponiert hat. Und dank Norbert Kaiser, der die ersten Jahre fast alle Texte schrieb.

Nach dem Tod seines Vaters Herbert Dreilich (1942-2004) übernahm Claudius (53) das Steuer bei Karat. Foto: Michael Petersohn/Electrola
Nach dem Tod seines Vaters Herbert Dreilich (1942-2004) übernahm Claudius (53) das Steuer bei Karat. Foto: Michael Petersohn/Electrola

Welche musikalischen Einflüsse haben Karat in all den Jahren geprägt?

Immer schon die Musik der Stones. Auch Pink Floyd hat eine große Rolle gespielt – und tut es noch. Ich denke, das sind vielleicht die größten Einflüsse, die man dieser Band zuschreiben könnte.

Als sich die Band gründete, warst du gerade mal fünf. Drei Jahre vor dem Mauerfall bist du dann 16-jährig mit deiner Familie, Mutter, Stiefvater, Halbbruder, in den Westen gegangen. Wie war das damals für dich? Karat tourte ja zu jener Zeit bereits durch die BRD.

In den Westen auszureisen war zunächst mal nicht so schön für mich. Klar war ich auch neugierig und wollte wissen, wie es dort aussieht. Aber ich wollte da nicht bleiben. Musste ich aber. Mit gerade mal 16 konnte ich mir auch gar nicht vorstellen, ob es mir da schlecht oder gut gehen würde. Außerdem fehlten mir meine Freunde. Ich hatte Heimweh. Das einzig Positive für mich war, dass ich Karat und damit meinen Vater viel häufiger gesehen habe, weil die Band oft in der BRD gespielt hat.

Was veränderte sich für dich, als die Mauer fiel?

Ich habe erst mal ein paar Wochen in meinem Ursprung gelebt. Baute mir dann eine Karriere auf. Das fand eher im Westen statt als im Osten. Für Karat wie für alle Ostkünstler war es erst mal eine Katastrophe, weil bestehende Verträge von heute auf morgen nicht mehr gültig waren. Aber die Band hat sich da nicht verrückt gemacht, weiter Musik gemacht, Texte geschrieben, geprobt – und auf die Situation gewartet, dass sich etwas entspannt. Das ist ja dann auch relativ schnell passiert. Die Leute merkten, ach, so schlecht war die Musik aus dem Osten aber jetzt auch nicht. Man kehrte zurück und ging wieder zu Konzerten ehemaliger DDR-Künstler.

Seit fünf Jahrzehnten rockt Karat: Besetzung bis 2022 (von links) Claudius Dreilich (Sänger), Michael Schwandt (Schlagzeug), Christian Liebig (Bass), Martin Becker (Keyboard), Bernd Römer (Gitarre). Liebig und Schwandt verließen 2022 Karat. Neu in der Band rocken Heiko Jung und Daniel Bätge. Fotos: Michael Petersohn
Seit fünf Jahrzehnten rockt Karat: Besetzung bis 2022 (von links) Claudius Dreilich (Sänger), Michael Schwandt (Schlagzeug), Christian Liebig (Bass), Martin Becker (Keyboard), Bernd Römer (Gitarre). Liebig und Schwandt verließen 2022 Karat. Neu in der Band rocken Heiko Jung und Daniel Bätge. Fotos: Michael Petersohn

Du selbst hast immer komponiert, getextet. Gab es je den Wunsch nach einer eigenen Band?

Nein, nie. Denn die Musik, die ich machen wollte, gab es schon. Karat. Und den Sänger auch: meinen Vater. Schon deshalb gab es diese Option für mich nicht mehr. Das war auch völlig okay so. Ich wollte nie eine eigene Band aufmachen oder neue Stilmittel kreieren. Diese Idee kam gar nicht auf. Denn Karat war für mich das Nonplusultra. Bis heute. Ich kann es nicht erklären, warum das so ist. Wahrscheinlich hat es mit meiner persönlichen Geschichte zu tun. Ich wuchs mit der Musik meines Vaters auf, war von Anfang an dabei. Deswegen war das bei mir derart fest zementiert in meinem Gedächtnis, in meinem Gewissen, meinem Leben.

Am 29. Oktober 2023 gastiert Kultband Karat in Heringsdorf.

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2005 bist du bei Karat eingestiegen. Wie kam es dazu?

Die Bandmitglieder haben mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, meinen Vater zu unterstützen, solange er kaum oder gar nicht spielen kann. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir alle noch die Hoffnung, dass er sich wieder erholt. Dazu ist es leider nie gekommen.

Der Namensstreit 2006 gehörte sicher mit zu den schwersten Karat-Zeiten.

Ja, das stimmt. Doch ein anderer Name war für uns nie eine Option. Deshalb hatten wir auch keinen Plan B. Wir wollten um unseren Namen kämpfen. Das ist ja zum Glück auch aufgegangen. Für die Zeit, als wir ihn nicht nutzen durften, nannten wir uns bewusst „K…!“, um klar zu machen, dass wir keine neue Marke erfinden wollten.

Am 29.Oktober 2023 ist Karat live zu erleben im Kaiserbädersaal Forum Usedom in Heringsdorf. Mit Usedom verbindet Frontmann Claudius Dreilich (l.) gute Erinnerungen und gute Freunde.
Am 29.Oktober 2023 ist Karat live zu erleben im Kaiserbädersaal Forum Usedom in Heringsdorf. Mit Usedom verbindet Frontmann Claudius Dreilich (l.) gute Erinnerungen und gute Freunde.

Eure Songs wurden oft gecovert, nicht nur von Peter Maffay („Über sieben Brücken“), auch von Max Raabe, Helene Fischer, Heinz Rudolf Kunze, Jan Josef Liefers. Und Wolfgang Lippert lässt sommersübers bei den Störtebeker-Festspielen „Albatros“ über die Insel Rügen fliegen. Gibt es eine Cover-Version, die euch besonders gefällt?

Es gibt eine brillante Version vom „Blauen Planeten“, die Gregor Meyle in seiner TV-Sendung „Meylensteine“ mit seiner Band interpretiert hat. Die hat uns alle umgehauen. Da waren so viel Feingefühl und hohe Musikalität. Das hat uns richtig gut gefallen.

Ihr habt selbst auch schon gecovert – einen Song der „Toten Hosen“.

Ja, genau. Aber das war nicht unsere Idee. Das ZDF hat damals eine Sendung gemacht, bei der Künstler Songs von Kollegen interpretieren sollten. Unsere Wahl fiel auf „An Tagen wie diesen“. Allerdings wusste ich, dass Campino und seine Kollegen covern nicht so toll finden. Wir wagten trotzdem eine Karat-Version. Bis zum heutigen Tag hat sich Campino darüber noch nicht bei uns beschwert.

An welchen Projekten arbeitet die Band derzeit?

Wir konnten uns in 47 Karat-Jahren schon viele Träume erfüllen. Aber eine Sache, die vor uns liegt, ist für uns im Moment ziemlich wichtig: unser 50-jähriges Jubiläum. Dafür stecken wir bereits seit einem Jahr intensiv in den Vorbereitungen.

Kannst du schon mehr verraten?

Alles noch geheim. Nur so viel: Es wird ein neues Album geben, an dem wir momentan arbeiten. Es soll ein ganz besonderes werden.

Wie aufregend ist es für euch heute noch, wenn ihr euren Fans ein neues Album auf den Tisch legt?

In jedem Album steckt jede Menge Arbeit, kreatives Schaffen, auch viel Persönliches von jedem von uns. Klar sind wir da gespannt, wie die Leute darauf reagieren. Da ist immer auch jede Menge Spannung, auch Ungewissheit, ob es den Leuten gefällt. Das ehrlichste Feedback gibt es bei Konzerten. Steht man auf der Bühne, merkt man relativ schnell, ist die Aufmerksamkeit da oder geteilt. Das passiert ja auch.

Fordern sich die Fans bei Konzerten immer noch die alten Hits, die Karat-Klassiker ein?

Unser Publikum assoziiert mit Karat immer noch jede Menge Songs, die sie von früher kennen. Die möchten sie natürlich hören. Und die werden wir immer spielen. Es ist ja auch was ganz Tolles, wenn man als Band auf solche Klassiker zurückgreifen kann, die so viele Menschen berühren. Bis heute. Durch alle Generationen.

In den vielen Karat-Jahren gibt jede Menge Erlebnisse. Welches bleibt dir bis heute am stärksten in Erinnerung?

Natürlich mein erstes Konzert, der erste Auftritt mit Karat. Ganz klar. Das war zum 25-jährigen Bühnenjubiläum in der ausverkauften Parkbühne der Berliner Wuhlheide. Bis heute ist dieses Konzert immer noch präsent, weil es sehr emotionsgeladen war. Nicht nur für mich, sondern für uns alle. Denn keiner wusste, was passiert. Obwohl es inzwischen schon so lange her ist, würde ich es für mich persönlich als den stärksten Moment bezeichnen.

Weißt du noch, welches das erste Lied war, das du damals gesungen hast?

Ich glaube, es war „Abendstimmung“. Wir Karat-Kinder überraschten damals unsere Eltern mit unserer Version dieses Songs.

Eure Lieder haben oft auch Bezüge zu Wind und Meer …

Unsere Bezugspunkte sind vor allem die Elemente. Wasser, Luft, Erde, Feuer spielen bei Karat eine große Rolle.

2023 steht wieder eine Tour an. Auch Usedom freut sich auf euch. Welchen Bezug hast du zur Insel?

Für mich persönlich ist Usedom etwas ganz Tolles. Als Steppke habe ich mit dem Kindergarten zwei Jahre in Folge Ferien in Zinnowitz gemacht. Daher verbindet sich für mich mit der Insel emotional aus meiner Vergangenheit ganz viel. Bis heute fahre ich oft hin. Wir haben auch Freunde auf Usedom. Es gefällt uns dort. Wir haben gute Erinnerungen und gute Freunde dort. Es ist wunderschön.

Vielen Dank für das Gespräch!
Gerlinde Bauszus führte das Interview für das Usedom Magazin 2023.

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