Die Peene ist einer der letzten ungezähmten Flüsse in Deutschland. Aufgrund der unberührten Natur, vielfältigen Flora und Fauna in einer faszinierenden Landschaft trägt sie den Beinamen „Amazonas des Nordens“. Sie entspringt im Norden des Kummerower Sees bei der Stadt Gnoien und mündet im Peenestrom westlich der Insel Usedom. Unsere Radrunde startet in Stolpe an der Peene.

Wir beginnen unsere Tour zum Amazonas des Nordens in Stolpe an der Peene und stehen gleich vor einer schwierigen Wahl: Radeln wir sofort los? Oder flanieren wir lieber durch den kleinen Ort, an der 350 Jahre alten Fährkrug-Gaststätte (Tipp: Einmal auf die Fritz-Reuter-Bank setzen!) vorbei zum Hafen mit Liegewiese und Volleyballfeld? Unweit des Hafens wacht auf einem Hügel eine alte Klosterruine aus dem 12. Jahrhundert über die gemächlich dahinfließende Peene.

Wissenswertes über den Amazonas des Nordens

Während sich die Kinder auf dem Spielplatz gegenüber des Gutshofes Stolpe – ein ehrwürdiges Herrenhaus mit Hotel und exzellenter Küche – austoben, haben die Erwachsenen Gelegenheit, sich auf Schautafeln über die Gärten der Germanen zu informieren. Damit noch nicht genug: Ein kurzes Stück die einzige Straße hoch findet sich auf der rechten Seite der „Naturpark Flusslandschaft Peenetal“, ein Besucherinformationszentrum mit interaktiver Ausstellung.

Die Peene wird auch der Amazonas des Nordens genannt. Zehn Kilometer westlich der Hansestadt Anklam liegt das Städtchen Stolpe an der Peene, Start und Ziel unserer Radtour. Foto: © fotograupner - stock.adobe.com
Die Peene wird auch der Amazonas des Nordens genannt. Zehn Kilometer westlich der Hansestadt Anklam liegt das Städtchen Stolpe an der Peene, Start und Ziel unserer Radtour. Foto: © fotograupner – stock.adobe.com

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In der Ausstellung lernt man spielerisch alles Wissenswerte über die Peene, einen der letzten unverbauten Flüsse Deutschlands, der auch der Amazonas des Nordens genannt wird. Biber, Fischotter, Flussneunauge, das seltene Ostseeknabenkraut – Natur(er)forscher werden an der Peene ihre Freude haben. Die Flussniederung ist eines der größten zusammenhängenden Niedermoorgebiete Mittel- und Westeuropas. 

Hinweis des Autors zur Radtour:

Da man zum Überqueren der Peene in Stolpe auf die Fähre angewiesen ist, ist diese Rundtour nur von Ostern bis Ende Oktober möglich. Besser vorher nachfragen! Verkehrt die Fähre nicht, sollte das Teilstück südlich der Peene abgefahren werden, weil dort mehr zu sehen ist als nördlich des Flusses.

Nordkurier Touren (2019)

Zum Glück endet unsere Rundtour wieder in Stolpe, so dass wir einige der Programmpunkte auch auf später verschieben können, denn jetzt wollen die ersten Kilometer in Angriff genommen werden. Wir folgen also dem Peenetal-Radrundweg und fahren durch eine schöne Allee aus Stolpe an der Peene hinaus. Mit gebotener Vorsicht geht es über die B 110 und dann auf einem Panzerplattenweg immer geradeaus.

Kleine Paddel-Touren oder ausgiebige Kanuwanderungen sind auf der Peene sehr beliebt. Fotos: Matthias Stiel
Kleine Ausflüge im Ruderboot oder ausgiebige Kanuwanderungen sind auf der Peene beliebt. Fotos: Matthias Stiel

Hohe Feldhecken geben in regelmäßigen Abständen die Sicht auf angrenzende Felder frei, eine Oase der Ruhe, durch die gemütlich Rehe und Kraniche ziehen. Kurz vor Medow – vom slawischen Medowe in etwa „Honigdorf“ – versteckt sich eine Traufe im Unterholz. Im Ort selbst halten wir uns rechts auf der Hauptstraße, vorbei am ehemaligen Pferdestall mit Gutsschmiede geht es in Richtung Krien.

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Der schnurgerade Peene-Süd-Kanal ist leicht zu erkennen. Er wurde einst angelegt, um bei Bedarf die Friedländer Große Wiese, ein 250 Quadratkilometer großes Niederungsmoor, mit Wasser zu versorgen. Wir überqueren den Kanal und biegen dann direkt hinter Brenkenhof nach rechts ab. In Wussentin verrät ein Wegweiser, wie weit Sydney, Mumbai und das Nordkap entfernt sind. Am Tempo-30-Schild im Ort fahren wir nach links auf einer schmalen Straße direkt zwischen zwei Häusern hindurch.

Diese Hinweise in Wussentin sind für unsere Radtour nicht wirklich relevant. Foto: Matthias Stiel
Diese interessanten Angaben auf einem Wegweiser in Wussentin sind für unsere Radtour nicht wirklich relevant.

Unter den Allee-Bäumen lässt es sich entspannt radeln. Fischadler nutzen die Bäume als Start- und Landeplatz für ihre Rundflüge über die Felder. In der ersten Kurve verlassen wir die Straße nach rechts auf einen Feldweg. Jetzt wird es etwas holprig, dafür werden wir mit einer Fahrt durch das Steinmockersche Holz belohnt, wo wir dem Hauptweg folgen. Hinter dem Wald säumen hohe dichte Feldhecken den Kopfsteinpflasterweg. Eine Rehfamilie zögert, ob sie das reich gedeckte Fallobst-Büfett aufgeben soll, zieht sich dann aber doch zurück.

Ein Streit zwischen Riesen machte die Gegend steinreich

An der Straßenkreuzung halten wir uns links nach Steinmocker. Schon während der Bronzezeit wurde hier gesiedelt, zwölf Hügelgräber von 1800 bis 600 vor unserer Zeitrechnung bezeugen dies. Um den Ort herum befinden sich zwei Großfindlinge, über die eine Sage erzählt wird: Es lebten vor vielen Jahren zwei Riesen in Anklam und Demmin. Sie gerieten oft in Streit miteinander und bewarfen sich schließlich gegenseitig mit den größten Steinen, die sie finden konnten. Aber die Steine waren doch zu schwer, so dass sie schon auf halbem Weg bei Steinmocker niederfielen. Seitdem ist Steinmocker steinreich.

Radtour auf der Peene - Zeit für eine Rast in dieser einmaligen Naturlandschaft. Foto: Matthias Stiel
Radtour auf der Peene – Zeit für eine Rast in dieser einmaligen Naturlandschaft.

Kurz vor dem Ortsausgang fahren wir nach rechts (Straßenschild „25–28“) und dann an der Wohngruppe Steinmocker vorbei. Immer geradeaus geht es über einen Wassergraben nach Klein Below, wo wir von großen flugunfähigen Laufvögeln überrascht werden. Die Straußenzucht „Gut Owstin“ hat hier eine Außenstelle, aber dazu später mehr. Jetzt geht es erst mal rechts ab, denn in Neetzow wartet das Schloss Neetzow, Baujahr 1848, auf uns. Wer hätte gedacht, dass hierzulande solch ein Prachtbau im Stil englischer Landsitze zu finden ist! 

Inmitten eines weitläufig angelegten Landschaftsparks steht auf einem Plateau eines der eindrucksvollsten romantischen Schlösser von Friedrich Hitzig, Schüler des berühmten Architekten Karl Friedrich Schinkel und seinerzeit fast ebenso gefragt wie der Meister selbst. Dominiert von einem großen achteckigen Turm sticht das heutige Hotel auch durch seine gelben Klinker hervor – begegnet uns sonst in der Region doch fast ausschließlich roter Backstein. Bei einem Streifzug durch den Park lassen sich viele außergewöhnliche Bäume entdecken.

Schloss Neetzow erinnert an einen englischen Landsitz. Foto: Matthias Stiel
Schloss Neetzow erinnert an einen englischen Landsitz.

Wir radeln weiter über die Bundesstraße 110 in Richtung Kagenow. Dort fahren wir an der Dorfkirche vorbei. Hinter dem Kanal wird es für eine kurze Strecke ein wenig anstrengend, aber der fahrradunfreundliche Feldweg wird schnell wieder besser und spätestens in Groß Toitin rollt es wieder flott voran. Hinter Groß Toitin biegen wir unmittelbar vor der B 110 rechts ab und folgen so einem schmalen von Bäumen gesäumten Weg, der rechts neben der Bundesstraße verläuft. Jetzt fahren wir entspannt immer geradeaus an zahlreichen Torfstichen – früher hatte angeblich fast jeder Haushalt in Jarmen seinen eigenen – vorbei.

Unter den mächtigen Pfeilern der Autobahn 20 hindurch folgen wir dem Weg, der eine Linkskurve macht, ins Städtchen Jarmen hinein. Wir passieren eine überlebensgroße Biberstatue, die vor einer dank Wasserkraft rotierenden Steinkugel steht. Kugel und Mulde sind jeweils aus tonnenschweren Eiszeitfindlingen gefertigt, die in Jarmen gefunden wurden. Anschließend rollen wir nach rechts durch die kleinen Gässchen der Jarmener Altstadt mit ihrer Sankt-Marien-Kirche aus dem 13. Jahrhundert zum Hafen hinunter. Von dort geht es zur großen Hauptstraße (Burgstraße) zurück, um die Peene auf dem Radweg der Brücke zu überqueren.

Unter der A20-Brücke über die Peene. Foto: Matthias Stiel
Unter der A20-Brücke über die Peene.

Ein zweites Mal auf dieser Tour fahren wir unter der A 20 hindurch und biegen anschließend rechts nach Breechen ab. Hinter dem letzten Grundstück auf der rechten Seite folgen wir einem Plattenweg (rechts abbiegen). Beiderseits des Weges begleiten uns weite Felder, während wir geradeaus eine kleine Ansiedlung durchqueren.

Kurz darauf erreichen wir Gützkow. Sind die Wasserflaschen leer, sollte man sie spätestens hier auffüllen, denn auf der restlichen Strecke bis nach Stolpe zurück gibt es dazu kaum noch Möglichkeiten. Wir radeln kurz neben der B 111 und verlassen sie hinter dem Supermarkt nach rechts. Bergab fahren wir am Gymnasium vorüber, davor befindet sich eine weitläufige Parkanlage. Im Rathaus gegenüber der Kirche gibt es ein kleines Heimatmuseum, welches nach Voranmeldung besichtigt werden kann.

Ein Zuschauer auf dem Straußenhof Owstin. Foto: Matthias Stiel
Ein Zuschauer auf dem Straußenhof Owstin.

Büffel und Strauße auf dem alten Rittergut

Direkt hinter Gützkow lädt das Freibad am Kosenowsee zu einer ausgedehnten Pause samt erfrischender Abkühlung ein. Gut erholt halten wir uns am nächsten Abzweig rechts in Richtung Anklam und fahren auf der Landstraße weiter. Ein Hinweisschild kündigt das Gut Owstin an, das wohl älteste vorpommersche Rittergut. Im Gutsladen der hier seit 2001 betriebenen Straußen- und Büffelzucht kann man heute verschiedene Delikatessen oder Mitbringsel für zu Hause kaufen, darunter natürlich auch riesige Straußeneier. Auf der Weiterfahrt nach Lüssow kommen wir mit etwas Glück auch noch an grasenden Wasserbüffeln vorbei.

Die Kilometer bis nach Quilow fliegen nur so dahin. Mit Motorhauben und Nummernschildern verzierte Scheunentore kündigen gegenüber des Dorfteiches – mit Liegesteg und Sitzmöglichkeiten – das Vereinsheim des Trabbi Buggy Clubs an. Der Verein veranstaltet seit Langem das weit über die Grenzen Vorpommerns hinaus bekannte Trabi-Treffen auf dem Flugplatz von Anklam an der Peene.

Längst Kult: das Trabi-Treffen in Anklam

Tausende Trabifans strömen Jahr für Jahr zu dem mehrtägigen Fest mit großer Ausfahrt, etlichen DDR-Fahrzeugen, Riesenrad und Party am Abend. Das Quilower Wasserschloss ist eine der wenigen erhaltenen Renaissanceanlagen in Mecklenburg-Vorpommern und erfährt derzeit eine aufwändige Restaurierung. Vom Quilower Dorfteich aus fahren wir ein kleines Stück auf der Straße, die wir gekommen sind, zurück den Hügel hinauf und folgen dann dem Wegweiser zur Personen- und Fahrradfähre nach links.

Das Landschaftsschutzgebiet „Unteres Peenetal und Peene-Haff“ zeigt sich zum Abschluss noch einmal von seiner schönsten Seite. Es empfiehlt sich, mindestens einmal vom Rad zu steigen und die Ruhe dort auf sich wirken zu lassen. Der Blick in die schier unendliche Ferne lässt Alltagssorgen vergessen. Der Wald auf dem letzten Streckenabschnitt ist von Wassergräben durchzogen und erinnert mit seinem hohen Bewuchs an tropische Sumpfgebiete, was für die holprigen letzten Meter zur Peene entschädigt.

Leckere regionale Speisen bietet das Wirtshaus Stolper Fährkrug an. Foto: Matthias Stiel
Leckere regionale Speisen bietet das Wirtshaus Stolper Fährkrug an.

Am Ufer der Peene ist zunächst nichts von einer Fähre zu sehen. Schnell erschließt sich aber, wofür der Schlegel und das Metallbrett an einem Pfahl zu verwenden sind. Kaum hört der freundliche Fährmann das Signal, macht er sich von der gegenüberliegenden Seite auf den Weg zu uns und wir schippern entspannt zum Ausgangspunkt unserer schönen Tour zurück.

Text: Matthias Stiel (Quelle: Nordkurier Touren)