Über die Ostsee ist schon so viel berichtet und fast alles erzählt worden. Und dennoch zieht sie uns jedes Mal aufs Neue in ihren Bann. Denn ihre Geschichten sind so unendlich wie das Meeresrauschen, wie die Sandkörner am Strand oder wie das ewige Spiel der Wellen. Fünf Fakten über die wohl wildeste See-Lady der Welt.
Sie ist die Größte und das schönste Geschenk Mecklenburg-Vorpommerns. Die Ostsee. Unser Tor in die Welt. Ein Sehnsuchtsort, eine Urlaubsgöttin, ein Wellnessparadies. Wir können sie hören. Riechen. Sehen. Schmecken. Fühlen. Erleben. Mit allen Sinnen genießen. An stürmischen Tagen rauscht sie dahin wie ein wildes Meer, dann schlägt sie Wellen so hoch wie ein Ozean. Dabei ist sie in Wahrheit weder das eine noch das andere.
Warum das Baltische Meer kein echtes Meer ist
Die Ostsee ist fast komplett von Festland umgeben. Nicht umgekehrt, wie es sich für ein Meer oder gar für einen Ozean gehört. Neun Staaten umarmen sie: Dänemark, Deutschland, Polen, Litauen, Lettland, Estland, Russland, Finnland und Schweden. Im Gegensatz zur Nordsee ist sie auch kein Randmeer eines Ozeans, sondern sie gilt „lediglich“ als ein Binnenmeer. Was unserer Vergnügen mit dieser wilden, sexy See-Lady natürlich in keiner Weise beeinträchtigt.
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An drei schmalen Stellen hat die Ostsee eine direkte Verbindung mit ihrer großen Schwester, der Nordsee. Diese befinden sich allesamt im Kattegat, ihrem nordwestlichen Ausläufer, zwischen der schwedischen Westküste und dem dänischen Jütland gelegen. Anders als kleine Meere oder große Ozeane hat das Baltische Meer keine Gezeiten bzw. Gezeitenströme. So was wie Ebbe und Flut sucht man an den Küsten von Meckpomm vergeblich. Hierzulande finden Urlauber immer gleich anmutende Ufer vor: ein paar prächtige Steilküsten sowie die dominierenden Flachküsten mit größtenteils weiten, weißen Sandstränden von ewiger Schönheit.
Das größte Brackwasser der Welt
Schon mal gekostet? Besonders salzig schmeckt die Ostsee ja nun nicht gerade. Im Westen bringt sie es zwar immerhin auf 15 bis 20 Gramm Salz pro Liter. Je weiter es jedoch gen Osten geht, desto geringer wird ihr Salzgehalt. Im Finnischen Meerbusen, kurz vor der russischen Newabucht, sind es weniger als 3 Gramm Salz pro Liter. Diese Ausgewogenheit zwischen salzig und süß nennt man brackig. Und auf der ganzen Welt gibt es kein größeres Brackwassermeer als das Baltische Meer. Im Vergleich: Die Nordsee und das Mittelmeer haben im Schnitt würzige 35 Gramm Salz pro Liter Meereswelle.
Die Ostsee hat eine stolze Größe von rund 400.000 Quadratkilometern, damit kann sie sich durchaus mit den Meeren der Welt messen. Doch mit durchschnittlich 60 Metern Tiefe ist sie verhältnismäßig flach. Ihre maximale Tiefe beträgt 450 Meter. Für alle Statistiker: Auf ihrer längsten Nord-Süd-Achse sind es von Haparanda (Schweden) 1300 Kilometer bis Danzig (Polen). Und gut 700 Kilometer liegen zwischen der schwedischen Hauptstadt Stockholm und St. Petersburg in Russland, der längsten West-Ost-Ausdehnung der Ostsee. Der kürzeste Weg von Deutschland nach Schweden wiederum ist die Fährverbindung von Sassnitz und Trelleborg, 60 Seemeilen gilt dabei zu überwinden.
Mit Schlittschuhen übers Meer
Seit ewigen Zeiten, so könnte man meinen, trennt die Ostsee Skandinavien von Mitteleuropa. In Wirklichkeit aber steckt sie noch in ihren Kinderschuhen. Erst vor 10.000 bis 12.000 Jahren entstand das Baltische Meer. So kam es am Ende der letzten Eiszeit zum Abschmelzen gigantischer Gletscher. In der Nähe von Stockholm bildete sich zunächst ein Baltischer Eisstausee heraus, aus dem dann in mehreren Etappen die heutige Ostsee hervorging. Das Mittelmeer ist übrigens rund 150 Millionen Jahre alt, und die Nordsee gibt es sogar schon seit 350 Millionen Jahren.
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In besonders strengen Wintern verwandeln sich die Fluten des Baltischen Meeres mitunter wieder zurück in alte Gletscherformationen. Zumindest andeutungsweise: Wie einst im Winter 1986/87 kann die Ostsee bei lang anhaltender, klirrender Kälte bis fast auf den letzten Wassertropfen zufrieren. Dann entsteht eine 400.000 Quadratkilometer große Eislaufbahn. Damals in den 1980er-Jahren ließen sich Tausende Menschen dieses Spektakel nicht entgehen und genossen die Ostsee nicht beim Eisbaden sondern beim Eislaufen. An manchen Stellen soll das Eis über einen Meter stark gewesen sein.
Nordkurier Spezial: Katastrophen-Winter 1978/79
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Wer dabei war, wird es nie vergessen – wer zu jung ist, wird es kaum glauben: Aber alle können jetzt nachlesen, wie der Katastrophen-Winter 1978/79 im Nordosten ablief. Das ganze Land kämpfte damals Hand in Hand gegen die unfassbaren Schneemassen. Panzer, Traktoren, pure Muskelkraft, was halt da war. Sogar ein MiG-Triebwerk wurde benutzt, um den Menschen Wege aus dem Schneechaos zu bahnen. Lesen Sie auf 64 Seiten Geschichten unserer Leser, die auch heute noch unter die Haut gehen.
Bereits in den 1940er-Jahren war unser Meer schon mehrmals zugefroren. Seinerzeit machten die Eismassen den hölzernen Seebrücken, zum Beispiel auf der Insel Usedom, arg zu schaffen. Doch auch in den 1960er-Jahren und im sogenannten Katastrophen-Winter 1977/78 wurden auf der Ostsee zahlreiche Eisschollen beobachtet.
Schweinswale und weit größere Meeressäuger
Im Ostsee-Raum haben viele Tiere ein Hause gefunden. Fische von A wie Aal bis W wie Wittling. Quallen, Muscheln, Schnecken, Seesterne. Möwen, Seeadler, nordische Gänse. Und auch Säugetiere wie Fischotter, Robben und Schweinswale lieben die Ostseewellen. Vor allem letzterer, der Gewöhnliche Schweinswal ist ein außergewöhnlicher Meeressäuger: Der einzige in Deutschland heimische Wal ist eng verwandt mit dem Delfin, weshalb sich die beiden „Wasserratten“ zum Verwechseln ähneln. Schweinswale sind am Bauch hell, am Rücken dunkel. Sie wiegen 50 bis 100 Kilogramm und können bis zu zwei Meter lang werden.
2022 war der Schweinswal das Tier des Jahres, weil er als sehr gefährdet gilt. Laut Experten leben nur noch ein paar Hunderte Schweinswale in der Ostsee. Mit etwas Glück kann man sie in den Sommermonaten beobachten. Und äußerst selten verirren sich gar weit größere Meeressäugetiere in hiesige Gewässer. Medienberichten zufolge sind in den vergangenen zehn Jahren vereinzelt Finn- und Buckelwale in der Ostsee gesichtet worden. So berichtete die Frankfurter Rundschau 2021 über einen zehn Meter langen Finnwal, der in der Eckernförder Bucht in Schleswig-Holstein gesichtet worden ist. Finnwale sind nach Blauwalen die zweitgrößten Lebewesen der Erde und können bis zu 20 Meter lang werden.
Von Seeräubern und einer versunkenen Stadt
Die Sage um das geheimnisvolle Vineta kennt in Mecklenburg-Vorpommern jedes Schulkind. Vor mehr als Tausend Jahren soll es an der mecklenburgischen Ostseeküste jene reiche Stadt gegeben haben, die eines Tages restlos in den Fluten der Ostsee versunken ist. Wo genau, das weiß bis heute kein Mensch: Der Legende nach war Vineta im Mittelalter eine schöne und aufblühende Handelsstadt auf oder nahe der Insel Usedom. Doch die Bürger Vinetas wurden immer gieriger, dekadenter, größenwahnsinniger. Leichtfertig sollen sie Warnungen vor dem Untergang ihrer Stadt in den Seewind geschlagen haben.
Vineta ist der Stoff, aus dem noch heute allerlei Kultur geschaffen wird. Seit drei Jahrzehnten gehören die Vineta-Festspiele zu den Theater-Höhepunkten auf der Insel Usedom. Zahlreiche Bücher, Songs, ja Opernstücke gar wurden der versunkenen Stadt gewidmet.
Doch die Ostsee hat noch einen weiteren großen Helden, um den sich zahlreiche Legenden ranken. Der Pirat Klaus Störtebeker soll im 14. Jahrhundert als Freibeuterkapitän auf der Nord- und Ostsee sein Unwesen getrieben haben. Heutzutage wird der trinkfeste Seeräuber auf der Insel Rügen wie ein Nationalheld gefeiert. Ihm zu Ehren finden seit 30 Jahren die Störtebeker-Festspiele auf der Naturbühne Ralswiek statt.
Text: Sirko Salka